Immer wieder aufzustehen, einen Neuanfang zu wagen und sich nicht aufzugeben.
Eine Überlebensstrategie finden.
Was sonst bleibt der betroffenen Person im Leben übrig?
Wie oft wird sie diese Kraft noch aufbringen können?
Texte zum tabuisierten Thema der Häuslichen Gewalt von der Autorin Susanna Schötschel.
Zeichnungen von Sean Peikkolapsi.
Gestohlene Freiheit
Wir träumen von fernen Ländern, in denen man die großen Abenteuer vermutet.
Ohne zu ahnen, dass irgendwo da draußen eine beschädigte Seele vor sich hin blutet.
In Kulturen, wo Frauen keine Rechte haben, wird ihr Vertrauen jäh zerstört.
Innerlich schreien sie vor Angst, jedoch scheinen sie für niemanden existent, weil keiner sie hört.
Hinter verschlossenen Mauern stirbt die Persönlichkeit eines zwangsverheirateten, jungen Mädchens voll kindlicher Ideen.
Sie ahnt nicht, was es heißt, als erwachsene Frau zu leben, ihrem Ehemann immer zur Verfügung zu stehen.
Zerstört ist eine Kinderseele, die gezwungen wird, erwachsen zu sein.
Zerstört sind Wünsche für die Zukunft, verzweifelt in ihrer Angst, ganz allein.
Unter völliger Beobachtung sind verloren auch die intimsten Momente einer Frau.
Jede Minute des Lebens wird überwacht, das weiß sie seitdem ganz genau.
Aussichtslos erscheint die Flucht vor einem herrschsüchtigen, gewalttätigen Ehemann, der einst ein sicheres Leben ihr versprach.
Sie glaubte ihm, ohne zu verstehen, dass er die Seele in ihrem Inneren zerbrach.
Verloren nicht nur die Freiheit, auch das Urvertrauen welches ein jeder in sich trägt.
Ausgeliefert einem Dasein, in der die Dunkelheit sie umgibt, weil keinerlei Zuversicht mehr besteht.
Überschrieben wurden die guten Erinnerungen durch ein Martyrium, welches kein Ende zu haben scheint.
Die Chance auszubrechen, in ein besseres Leben, in Sicherheit, erscheint unerreichbar weit.
Jene Träume leben noch, irgendwann in die Freiheit zu fliehen.
Allgegenwärtig die Furcht, als sie verzweifelt in sich hinein hat geschrien.
Das kleine Mädchen von einst schöpft Hoffnung auf ein sorgenfreies Dasein in einem sicheren Land, um in Ruhe zu leben.
Doch was wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren muss, dann wäre es so, als hätte es sie niemals gegeben.
———————————————————————————————–
Bilder meines Schweigens
Und siehst Du meine Bilder einer zerrütteten Geschichte, die kein Ende zu haben scheint.
Dann siehst Du auch die zahlreichen Tränen, die ich in unendlich vielen Nächten habe geweint.
In meiner Not habe ich gelernt, mein wahres Leben vor der Gesellschaft verschlossen zu halten.
Mich lähmt die maßlose Angst davor, mein Schweigen zu brechen, weil dann alsbald bekannte, böse Kräfte walten.
Wie kann ich mich lösen wenn eine Macht, von einem einst geliebten Menschen, meine Persönlichkeit schier zerstört?
Wie kann ich wieder zu mir finden, wenn er mein Bitten und Flehen einfach nicht erhört?
Erneut ziehe ich mich zurück, immer mehr tauche ich in eine bedrohliche Welt hinein.
In eine Welt in der es mir verboten wird, auch nur in den intimsten Momenten alleine zu sein.
Wieder höre ich die angsteinflößenden Worte “Dreckiges Miststück”, “Schlampe”, ich zittere, weil er immer weiter in mein Inneres eindringt.
Wohin mit mir, um nicht aufzufallen? Seine Wut mich jeden Tag wieder in die Knie zwingt.
Leise, fast schwerelos schleiche ich, damit ich durch meine bloße Anwesenheit seinen Zorn nicht errege.
Ich weiß nicht wie ich mich verhalten soll, wann es ihn verärgert wenn ich mich bloß bewege.
Er beobachtet mich, überall. Es gilt nichts zu tun, was ihn noch aggressiver macht.
Ich höre ihn wie er schreit “Hure”, “Ich töte Dich” und dabei so höhnisch lacht.
Die Schatten meiner Selbst erdrücken mich fast ganz und gar.
Beinahe vergessen die Momente wie es damals bei unserem Kennenlernen war.
Bilder einer nicht enden wollenden Hölle schreiben Zeugnis über mein desaströses Selbstwertgefühl.
Mehr und mehr nimmt das Böse mir mein Urvertrauen, es scheint ausweglos und ein zerstörerisches Spiel.
Meine Angst heute nicht zu funktionieren, raubt mir meine Hoffnung auf ein Leben in Harmonie.
Kalter Schweiß läuft über meinen Körper — ein Gefühl von Ausgeliefertsein wie vorher noch nie.